Wofür dann doch Geld da ist: Schwarz-Grüne Landesregierung plant 300 Mio. Euro für ein neues Abschiebegefängnis ein

Nach dem mutmaßlichen Anschlag in Solingen im August 2024 hat der Ausbau der Abschiebehaft in NRW erneut Einzug in die landespolitischen Debatten gehalten. Mit dem heute zur Verabschiedung in den Landtag eingebrachten Landeshaushalt 2025 will die schwarz-grüne Landesregierung nun auch finanzpolitische Fakten schaffen. In der Ergänzungsvorlage der Landesregierung zum Haushaltsentwurf für 2025 ist der Posten „Planung einer weiteren Abschiebehaftanstalt“ mit sagenhaften 300 Millionen Euro1 veranschlagt. Dieser gigantische Betrag wird als Verpflichtungsermächtigung deklariert. Das bedeutet, dass die Exekutivorgane befugt sind, im Rahmen eines Haushaltsplans finanzielle Verpflichtungen über das Haushaltsjahr hinaus einzugehen. Die genannte Summe betrifft also die folgenden Jahre insgesamt.

Darüber hinaus will die Landesregierung bereits im Jahr 2025 mit der Ausbildung von Vollzugskräften für ein zweites Abschiebegefängnis beginnen. Hierfür sind im Haushaltsentwurf 16 neue Stellen mit jährlichen Kosten in Höhe von 156.800 Euro veranschlagt2. Auf der anderen Seite wird im neuen Landeshaushalt an vielen Stellen im Sozialbereich gekürzt, was im November 2024 über 32.000 Menschen bei einer Großdemonstration in Düsseldorf auf die Straße brachte.3 Nach Angaben von Medien war dies die größte Demonstration gegen eine NRW-Landesregierung seit rund zwei Jahrzehnten.

„Dass sich der momentan stattfindende populistische Überbietungswettbewerb auch im NRW-Landtag abzeichnet, verwundert uns nicht. Trotzdem ist die Geschwindigkeit, mit der die schwarz-grüne Landesregierung rechten Forderungen nachgibt, wirklich erschreckend!“, so Jennifer Springer vom Bündnis „Abschiebegefängnis verhindern – in Düsseldorf und überall“.

Während die schwarz-gelbe Vorgängerregierung noch ein sogenanntes „Ausreisegewahrsam“ mit 25 Plätzen nahe des Flughafens Düsseldorf als Ergänzung zum Abschiebegefängnis Büren anvisierte, scheint schwarz-grün nun im „großen Stil“ zu planen. Flucht- und Integrationsministerin Josefine Paul (Grüne) sprach denn auch bereits im Oktober 2024 im Integrationsausschuss des Landtages von einer zweiten, „mit der in Büren vergleichbare[n] Abschiebungshafteinrichtung“.4 Büren ist zurzeit mit 175 Abschiebehaftplätzen das mit Abstand größte Abschiebegefängnis bundesweit.

„Ein zweites Abschiebegefängnis als Teil des sogenannten ‚Sicherheitspakets‘ der Landesregierung hat nichts mit der Sicherheit der Bevölkerung zu tun. Mit diesen Plänen werden alle Geflüchteten unter Generalverdacht gestellt und es werden noch mehr unschuldige Menschen eingesperrt. Die ständige Angst vor Abschiebung im Zusammenspiel mit vielerlei Einschränkungen der Persönlichkeitsrechte wird den Druck, unter dem viele Menschen schon jetzt stehen, weiter erhöhen. Gleichzeitig spielt dies der AfD und ihren Deportationsphantasien in die Karten. Die Folgen sind nicht abzusehen“, so Regine Heider vom Bündnis „Abschiebegefängnis verhindern – in Düsseldorf und überall“.

Der Öffentlichkeit gegenüber geheim bleiben sollen allerdings erneut die konkreten Planungen und Planungsschritte für den Bau eines zweiten Abschiebegefängnisses. Eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz wies das MKJFGFI im Oktober 2024 abermals zurück.5 Die Landesregierung will also erneut eine gesellschaftliche Diskussion über Abschiebehaft verhindern.

Mit den Plänen für ein zweites Abschiebegefängnis wenden sich CDU und Grüne zweieinhalb Jahre nach ihrem Regierungsantritt zudem auch vollständig von ihren Worten im Koalitionsvertrag ab. Dort war noch von einem „schwerwiegenden Eingriff in den grundrechtlich geschützten Freiheitsbereich einer Person“ die Rede. Abschiebehaft sei „nur als äußerstes Mittel zulässig“. Vorrangig müssten „mildere Mittel als Alternative zur Abschiebehaft ausgeschöpft werden.“6

  1. Landtag NRW, Drucksache 18/11300, S. 14 der PDF. Von der Summe sind 200 Mio. Euro im Haushalt des Innenministeriums vorgesehen, 100 Mio. Euro in der Allgemeinen Finanzverwaltung. Die Zuordnung zum Innenministerium erfolgt, weil ein neues Abschiebegefängnis im Zuständigkeitsbereich einer Bezirksregierung angesiedelt wäre. Fachlich zuständig für die Planung und Errichtung ist aber das Ministerium für Flucht und Integration (MKJFGFI). ↩︎
  2. Landtag NRW, Drucksache 18/11300, S. 24 der PDF. Eingeplant sind 16 Stellen für Vollzugsobersekretäranwärter:innen. ↩︎
  3. Siehe zu den Sozialkürzungen etwa Freie Wohlfahrtspflege NRW, Die Freie Wohlfahrtspflege in Nordrhein-Westfalen bewertet die geplanten Rücknahmen vieler Kürzungen im Landeshaushalt 2025 als einen Schritt in die richtige Richtung, Presseinformation vom 3.12.2024. Demnach sind zu diesem Stand Kürzungen in Höhe von 43 Millionen Euro in verschiedenen Bereichen der Freien Wohlfahrtspflege vorgesehen. ↩︎
  4. Landtag NRW, Ausschussprotokoll APr 18/714, Sitzung des Integrationsausschusses vom 30.10.2024, S. 30. ↩︎
  5. Siehe Bescheid des MKJFGFI vom 22.10.2024. Bereits 2022 hatte das Bündnis „Abschiebegefängnis verhindern – in Düsseldorf und überall“ eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) gestellt, die erst nach rund 1,5 Jahren und nach einem langwierigen Klageverfahren die geforderten Dokumente und Informationen hervorbrachte. Siehe Schießplatz, Kläranlage oder Lärmschutzzone: potentielle Standorte für Abschiebegefängnis in Düsseldorf aufgedeckt, Presseinformation vom 7.5.2024. ↩︎
  6. CDU/Grüne, Zukunftsvertrag für Nordrhein-Westfalen, Koalitionsvereinbarung von CDU und Grünen 2022-2027, S. 120. ↩︎

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