Wir als Bündnis „Abschiebegefängnis verhindern – in Düsseldorf und überall“ haben die größeren demokratischen Parteien, die zur Landtagswahl in NRW am 15. Mai 2022 antreten, in Form von Wahlprüfsteinen zu ihren Positionen zum Thema Abschiebungen und Abschiebehaft befragt. Die Antworten der Parteien – soweit wir eine Reaktion erhalten haben – stellen wir in diesem Beitrag vor.
Überblick
Die Urbane
„Der Umgang mit Pass, Status und Herkunft in der aktuellen Situation, zeigt auf wie das Ungleichgewicht und das Festhalten von Machtstrukturen in Deutschland, Europa und der ganzen Welt dazu führen, dass Mensch und Natur ausgebeutet wird.“
„In Deutschland müssen alle undokumentierten und illegalisierten Personen legalisiert werden und mit einem Status so ausgestattet werden, dass sie alle Zugänge haben, die ihnen menschenrechtlich zustehen und so dass sie Planungssicherheit haben und die eigene persönliche Entwicklung und Entfaltung stattfinden kann, aber auch eine gesellschaftliche Partizipation ermöglicht ist.“
Antworten im Volltext
Piraten
„Wir verurteilen Abschiebungen und somit auch die Abschiebehaft aufs Schärfste.“
„Wir lehnen Abschiebungen generell ab und wollen, dass die Realität NRW als Einwanderungsland endlich anerkannt wird und auch praktische Konsequenzen hat. Deutschland und vor allem NRW ist ein von Einwanderung geprägtes Land.“
„Ja, in einem modernen Einwanderungsland hat eine Politik ausgedient, die auf Abschreckung setzt. Abschiebung ist ein staatliches Mittel, welches nur mit Hilfe von Zwangsmaßnahmen durchgeführt werden kann, die mit den Grundrechten und Menschenrechten in Konflikt stehen und einer demokratischen Gesellschaft unwürdig sind.“
Antworten im Volltext
CDU
„Wichtig ist eine schnelle und effektive Rückführung bzw. Vollstreckung der gerichtlich angeordneten Ausreisepflicht. Ausreisegewahrsam und Abschiebungshaft dienen der Sicherung des effektiven Verfahrens der Abschiebung.“
„Die Abschiebung ist daher kein Mittel der Abschreckung, sondern die Vollstreckung der gerichtlich angeordneten Ausreisepflicht. Unser Land ist Zuwanderungs- und Integrationsland. Bei uns sollen alle eine Heimat finden, egal wo sie geboren sind.“
„Wer nicht schutzberechtigt ist, sollte unser Land wieder verlassen. Dabei setzen wir in erster Linie auf die Förderung freiwilliger Ausreisen. Wenn diese Chance nicht genutzt wird, muss das Recht angewendet und Ausreisepflichtige abgeschoben werden.“
Antworten im Volltext
Bündnis 90 / Die Grünen
„Für uns stellt Abschiebehaft ganz klar eine massive Freiheitsberaubung dar, die viele Menschen zu Unrecht betrifft. […] Wir sehen [in der Planung des Abschiebegewahrsams am Flughafen Düsseldorf] den Versuch der Landesregierung, die Abschiebehaft zu erweitern und positionieren uns klar dagegen.“
„Bei einer Aufenthaltsbeendigung müssen Abschiebungen immer das letzte Mittel sein. Wir setzen uns dafür ein, mildere Mittel zur Abschiebehaft als Alternative auszuschöpfen, und wollen garantieren, dass die Rechte der Betroffenen geachtet werden.“
Antworten im Volltext
Die Linke
„DIE LINKE lehnt Abschiebungen generell ebenso ab wie die Abschottung der EU insbesondere gegen fliehende Menschen, die den gefährlichen Weg über das Mittelmeer nach Europa suchen. Sichere Fluchtwege müssen geschaffen werden. Die Zwangsunterbringung in Aufnahmelagern, Wohnsitzauflagen und insbesondere Abschiebehaft lehnt DIE LINKE ab.“
„Die Kriminalisierung von Geflüchteten und populistische Hetze sorgen für eine Stärkung rassistischer und rechtsnationaler Kräfte und führen immer wieder zu Gewalt gegen Geflüchtete und Menschen, die nicht in das rechtsnationale Weltbild passen.“
Antworten im Volltext
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Fragen im Detail
1) Wie positionieren Sie sich zu den Planungen eines Abschiebegefängnisses am Düsseldorfer Flughafen? Welche Maßnahmen werden Sie unternehmen, um das geplante Abschiebegefängnis zu verhindern?
Nordrhein-Westfalen ist nicht nur die Heimat derjenigen, die hier geboren sind. Wir sind stolz darauf, dass Menschen aus allen Teilen der Welt zu uns ziehen, um hier zu leben, zu lernen und zu arbeiten. Sie sind uns willkommen. Einwanderung ist gut für Nordrhein-Westfalen. Sie hilft uns demografisch, wirtschaftlich und kulturell. Unsere Grundhaltung beinhaltet ein liberales Einwanderungsrecht für die Menschen, die in friedlicher Absicht zu uns kommen. Wir verfolgen gleichzeitig eine Null-Toleranz Politik bei Straftätern und potenziellen Gefährdern. Wichtig ist eine schnelle und effektive Rückführung bzw. Vollstreckung der gerichtlich angeordneten Ausreisepflicht. Ausreisegewahrsam und Abschiebungshaft dienen der Sicherung des effektiven Verfahrens der Abschiebung. Die Unterbringungseinrichtung in der Nähe des Düsseldorfer Flughafens dient der kurzfristigen Unterbringung.
Wir verurteilen Abschiebungen und somit auch die Abschiebehaft aufs Schärfste. Wir werden einem geplanten Abschiebegefängnis selbstverständlich ablehnen und versuchen Mehrheiten dafür zu gewinnen.
DIE LINKE NRW lehnt Abschiebegefängnisse generell ab. Die Einrichtung eines Abschiebegefängnisses in Flughafennähe würde den Zeitkorridor zwischen einem Abschiebebescheid und der Abschiebung verkleinern. Damit würde den Betroffenen weiter erschwert, Rechtsmittel gegen ihre Abschiebung einzulegen. Das halten wir für rechtlich bedenklich. Ebenso würde die Organisation von Abschiebeprotesten erschwert. Aus diesen Gründen will DIE LINKE NRW ein Abschiebegefängnis am Düsseldorfer Flughafen verhindern. Die Fraktion der LINKEN im Düsseldorfer Stadtrat hat dort mit kritischen Anfragen zur Zusammenarbeit der Stadt mit der Landesregierung bei der Grundstückssuche für das Abschiebegefängnis das Thema in die Medien gebracht. DIE LINKE wird den öffentlichen Druck durch die Unterstützung von Bündnisprotesten und begleitende Anträge im Düsseldorfer Stadtrat zu verstärken.
Für uns stellt Abschiebehaft ganz klar eine massive Freiheitsberaubung dar, die viele Menschen zu Unrecht betrifft. Die Landesregierung plant am Düsseldorfer Flughafen ein Ausreisegewahrsam, in dem nach Angaben der Landesregierung auf unsere Anfragen hin bis zu 25 Personen für mehrere Tage festgehalten werden sollen. Wir sehen hier drin den Versuch der Landesregierung, die Abschiebehaft zu erweitern und positionieren uns klar dagegen.
Wir sind ganz klar gegen diese Form im Umgang mit Menschen.
Unser Partei Programm sagt, dass es keine Strafe ist, sich in einem Land aufzuhalten oder die Möglichkeit ergreifen zu wollen. Der Umgang mit Pass, Status und Herkunft in der aktuellen Situation, zeigt auf wie das Ungleichgewicht und das Festhalten von Machtstrukturen in Deutschland, Europa und der ganzen Welt dazu führen, dass Mensch und Natur ausgebeutet wird.
Jede Stimme die anti-rassistisch, dekolonial und machtkritisch, mit in die Abstimmung in allen Gremien geht, kann solch einen Bau verhindern oder ihn genauestens beobachten, falls nicht mehr verhinderbar. Die Breite Gesellschaft ist mit verantwortlich und muss genau deshalb mit in die Verantwortung gezogen werden. Wir können nicht tatenlos zusehen, warten. Wir helfen jetzt schon in verschieden Organisationen mit, um Geflüchtende Menschen und ihre Familien zu betreuen. Zuletzt die unfaire Behandlung an der ukrainischen Grenze. Hierfür brauchen wir mehr als ehrenamtlichen Aktivismus, der einmal im Monat eine Demo plant. Unterkunft, Sprachkurse, Ferienbetreuung, Anwälte und Betreuung bei Anträgen und Behördengänge in ganz NRW ausbauen, verstärken und wenn notwendig errichten.
2) Schwere Erkrankungen von Geflüchteten werden nicht ausreichend im Asyl- und Aufenthaltsverfahren berücksichtigt. Wie stehen Sie zu Abschiebungen, wie sie derzeit ja stattfinden, von kranken und traumatisierten Geflüchtete? Was wollen Sie unternehmen, damit diese nicht weiter geschehen?
Wir sind definitiv gegen Abschiebungen. Insbesondere Menschen die bereits auf der Flucht waren oder deren Nachfahren und Angehörigen benötigen auf sie abgestimmte medizinische Versorgung und Nachbetreuung. Medizin und Behandlungen sind hier in Deutschland lediglich auf weiss hetero Mann oder wenn, Frau ausgelegt. Wir fordern daher Forschung und Studien durch unabhängige Institute, die mit Quoten für BIPoC in allen Gremien besetzt sind. Der Bau eines unabhängigen Zentrums für Betreuung, Versorgung und Forschung, anstatt weitere Kriminalisierung durch den Staat, muss vorangetrieben werden.
Wir kritisieren scharf, dass Abschiebungen bei Krankheit und insb. bei psychischen Erkrankungen, tw. auch direkt aus stationärer Behandlung in NRW immer wieder vorkommen. Das im Grundgesetz verbriefte Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit ist unbedingt zu beachten. Wir haben in der aktuellen Legislaturperiode beantragt, während der Corona-Pandemie einen generellen Abschiebestopp zu verhängen. Unter der ehemaligen schwarz-roten Bundesregierung wurden die Regelungen in Bezug auf die Geltendmachung krankheitsbedingter Abschiebungshindernisse verschärft. Diese Verschärfungen, dass etwa Atteste von psychologischen Psychotherapeutinnen und -therapeuten nicht mehr anerkannt werden, haben wir stark kritisiert und sollten zurückgenommen werden. Auf Landesebene wollen wir besondere Schutzbedarfe bereits in den Landesunterbringungseinrichtungen flächendeckend identifizieren und entsprechend dokumentieren und uns auch auf Bundesebene für die Stärkung der Rechte von Betroffenen einsetzen.
DIE LINKE lehnt Abschiebungen generell ebenso ab wie die Abschottung der EU insbesondere gegen fliehende Menschen, die den gefährlichen Weg über das Mittelmeer nach Europa suchen. Sichere Fluchtwege müssen geschaffen werden. Die Zwangsunterbringung in Aufnahmelagern, Wohnsitzauflagen und insbesondere Abschiebehaft lehnt DIE LINKE ab und fordert stattdessen ein dauerhaftes Bleiberecht. Die Abschiebungen sind sofort zu stoppen. Insbesondere kranke und traumatisierte Geflüchtete brauchen einen dauerhaften Aufenthalt. DIE LINKE lehnt das Dublin-System ab. Das Asylrecht im Grundgesetz muss wiederhergestellt werden. Auch die Flucht vor Hunger, Armut, Umwelt- und Klimazerstörung sowie Verfolgung aus Gründen sexueller Orientierung und Identität muss anerkannt werden.
Kranke und traumatisierte Geflüchtete verdienen einen besonderen Schutz. Eine Abschiebung, oft auch in Krisengebiete, in denen die gesundheitliche Versorgung nicht gesichert ist, lehnen wir grundsätzlich ab.
Wir sind in Nordrhein-Westfalen Motor und Impulsgeber in der Asyl- und Integrationspolitik. Wir stehen für Verbindlichkeit, Pragmatismus und einen klaren Kompass. Dazu gehört die Vermittlung von Arbeit, Bildung, Sprache und Werten. Außerdem setzen wir auf die Schaffung von Bleibeperspektiven für gut integrierte Menschen, die langfristige Finanzierung unserer einzigartigen Integrationsinfrastruktur, eine enge Partnerschaft mit der kommunalen Familie und ein entschiedenes Vorgehen bei der Abschiebung von Gefährdern. Wir werden die Kommunen weiterhin bei der Aufnahme von Flüchtlingen unterstützen. Wir lassen niemanden zurück, der unsere Hilfe und Solidarität benötigt. Wer straffällig wird hat sein Bleiberecht bei uns verwirkt.
3) Wie ist Ihre Position zu Abschiebungen von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen? Wollen Sie Abschiebungen aus Bildungseinrichtungen, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sowie aus Arztpraxen und Krankenhäusern verhindern?
Im Rahmen des Aufenthaltsgesetzes können die Behörden den Verbleib der Flüchtlinge im Ermessenswege weiter dulden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder ein erhebliches öffentliches Interesse die vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Insbesondere unbegleitete Minderjährige erfahren einen besonderen Schutz. Vor einer Abschiebung muss sichergestellt sein, dass der oder die Minderjährige im Rückkehrstaat einer zur Personensorge berechtigen Person übergeben wird. Die Schwachen haben einen Anspruch auf die Solidarität der Starken. Jeder in der Gesellschaft muss seinen Beitrag leisten und Verantwortung übernehmen. Wer Schutz braucht, bekommt ihn auch, aber: Integration ist und bleibt eine Politik des Forderns und des Förderns. Wir verlangen aus guten Gründen viel von den Menschen, die zu uns kommen. Deshalb ist es richtig, sie gleichzeitig zu fördern.
Wir sind generell gegen Abschiebung und für eine proaktive Integrationspolitik. Abschiebungen aus dem Unterricht oder Arztpraxen heraus sind vollkommen inakzeptabel.
Diese Abschiebungen sind sofort zu stoppen. Ein Familiennachzug soll ermöglicht werden. Ansonsten verweisen wir auf unsere Antwort zur Frage 1.
Abschiebungen von Unbegleiteten Minderjährigen lehnen wir ab. Laut Kinderrechtskonvention ist das Wohl des Kindes bei allen Maßnahmen die von öffentlichen oder privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen getroffen werden, ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist. Dem schließen wir uns ohne Wenn und Aber an. Für unbegleitete minderjährige Geflüchtete gilt dieser Schutz in besonderem Maße.
Ganz Klar nein, wir wollen das verhindern. In Deutschland müssen alle undokumentierten und illegalisierten Personen legalisiert werden und mit einem Status so ausgestattet werden, dass sie alle Zugänge haben, die ihnen menschenrechtlich zustehen und so dass sie Planungssicherheit haben und die eigene persönliche Entwicklung und Entfaltung stattfinden kann, aber auch eine gesellschaftliche Partizipation ermöglicht ist. Als Menschen, die ständig in Deutschland leben, soll auch das Wahlrecht erteilt werden.
4) Häufig kommt es vor, dass durch Abschiebungen volljährig gewordene Kinder oder einzelne Erziehungsberechtigte abgeschoben und dadurch gewaltsam von ihrer Familie getrennt. Wie stehen Sie zu der Praxis, Familien auseinanderzureißen und einzelne Familienmitglieder abzuschieben?
Bewegungsfreiheit als Menschenrecht etablieren – Es gibt keinen sachlich nachvollziehbaren Grund, warum auf der Welt Menschen unterschiedliche Rechte haben sollten, sich zu bewegen, oder sehr konkret, warum Menschen mit einem deutschen Pass sich beinahe unbegrenzt bewegen dürfen, während die meisten anderen das nicht dürfen. Die Abschottung weißer – in diesem Kontext reicher - Mehrheitsgesellschaften gegen die Einwanderung aus dem sogenannten globalen Süden ist rassistisch und nicht durch das Bedürfnis nach Sicherheit zu erklären, sondern mit dem Sichern kapitalistischer Besitzstände, die sich in Form von Lebensstandard ausdrücken. Grenzsysteme und Visa-Systeme müssen abgeschafft oder so gestaltet werden, dass diese globale rassistische Ungleichbehandlung aufgehoben wird.
Generell stellen aufenthaltsbeendende Maßnahmen für die meisten hiervon Betroffenen eine hohe Belastung dar. Familien sind deshalb besonders bei Rückführungen zu schützen. Dies gilt insbesondere auch bei Abschiebungen in Nachtstunden. Die Trennung von Familienmitgliedern kritisieren wir scharf, bei minderjährigen Kindern widerspricht sie dem vorrangig zu berücksichtigenden Kindeswohl. Familientrennungen und Abschiebungen von Familien mit Charterflügen sollten grundsätzlich vermieden werden. Humanitäre Gesichtspunkte und individuelle Härtefälle müssen stets Beachtung finden. Für uns müssen freiwillige Ausreisen immer Vorrang vor Abschiebungen haben.
Wir verweisen auf unsere Antwort auf Fragen 2 und 3.
Wir lehnen Abschiebungen generell ab und wollen, dass die Realität NRW als Einwanderungsland endlich anerkannt wird und auch praktische Konsequenzen hat. Deutschland und vorallem NRW ist ein von Einwanderung geprägtes Land. Wir PIRATEN schätzen unsere pluralistische Gesellschaft, die von der Vielfalt der verschiedenen Menschen lebt. Migration und Mobilität bereichern unsere
Gesellschaft. Familien, die oft nur über Umwege in NRW angekommen sind, um sich in Sicherheit zu bringen, dürfen wir nicht trennen. Einwanderung ist in NRW seit Jahrzehnten ein wesentlicher Bestandteil unserer Gesellschaft. Einwanderung hat uns vorangebracht. Ohne ehemalige Migrant:innen, die längst Bürger:innen unseres Landes geworden sind, wären wir in jeder Hinsicht ärmer.
Bereits in der Vergangenheit und auch weiterhin wirken wir auf eine konsequente und rechtsstaatliche Durchsetzung von Rückführungen bzw. Abschiebungen hin. Wir respektieren und fördern Familien und wollen diese auch nicht grundlos trennen. Kommt es jedoch zu Straftaten muss der Rechtstaat entsprechend handeln.
5) Setzt sich Ihre Partei dafür ein, dass Abschiebungen nicht als Mittel zur Abschreckung oder sonstiger Symbolpolitik instrumentalisiert werden?
Grundsätzlich gilt: Jede Straftat muss von den entsprechenden Behörden verfolgt werden. Politik und Justiz machen hierbei keinen Unterschied auf Grund von Abstammung, Sprache oder des Glaubens. Die Abschiebung ist daher kein Mittel der Abschreckung, sondern die Vollstreckung der gerichtlich angeordneten Ausreisepflicht. Unser Land ist Zuwanderungs- und Integrationsland. Bei uns sollen alle eine Heimat finden, egal wo sie geboren sind. Alle, die zu uns kommen und mit uns und nach unseren Gesetzen und Werten leben, sind eine Bereicherung. Das gehört zur DNA unseres Landes. Damit das so bleibt, haben wir das bundesweit modernste Integrationsgesetz geschaffen und die Kommunen erstmals mit genug Geld für die Integration ausgestattet. Sie ist für uns eine Querschnittsaufgabe: Bildung und Ausbildung, Wirtschaft und Arbeit, Ehrenamt und Sport sind nur einige Beispiele, bei denen Integration in Nordrhein-Westfalen erlebt und erfolgreich gelebt wird. Damit sind wir Vorbild für andere Länder.
Ja, in einem modernen Einwanderungsland hat eine Politik ausgedient, die auf Abschreckung setzt. Abschiebung ist ein staatliches Mittel, welches nur mit Hilfe von Zwangsmaßnahmen durchgeführt werden kann, die mit den Grundrechten und Menschenrechten in Konflikt stehen und einer demokratischen Gesellschaft unwürdig sind. Die Konsequenzen einer Abschiebung führen für den betroffenen Menschen fast immer in aussichtslose Situationen und oft auch zu Gefahr für
Leib und Leben.
Aus der Etablierung von Bewegungsfreiheit als Menschenrecht ergibt sich zwingend, dass koloniale Dominanz, Rohstoff-Raubbau und Klimaungerechtigkeit ausgeglichen werden müssen, und Verteilungsgerechtigkeit global durchgesetzt werden muss – nicht als Ergebnis von langwierigen sogenannten „trickle down economics“ oder einer unsichtbaren (aka weißen) Hand (gemäß Adam Smith), sondern als sehr konkrete Zielgröße. Wie diese gemessen werden kann, an was sie sich ablesen lassen wird und in welchem Rahmen Abweichungen (Varianz) zulässig sein sollten, sind noch zu entwickelnde Parameter. Ein wichtiger Index, der sehr anschaulich macht, warum Migration ein Menschenrecht sein muss, ist der HDI, der Human Development Index. Er bildet vor allem Lebenserwartung ab und Bildungsjahre. Und er zeigt, wie diese Privilegien eines langen Lebens und dem Zugang zu Bildung weltweit verteilt sind. In Nordamerika, Japan, Europa, Australien, Israel, Saudi Arabien und ein paar winzigen Inselstaaten ist die durchschnittliche Lebenserwartung 20 Jahre höher, teilweise bis zu 30 Jahre höher, als bspw. auf dem afrikanischen Kontinent oder in Afghanistan. Wenn das mal kein Anlass ist, zu migrieren.
Ja. Abschiebungen stellen für uns immer das letzte Mittel dar. Alternative Maßnahmen wie Regelung zum Spurwechsel und Bleiberechtsperspektiven sollten daher immer Vorrang genießen. Als Mittel zur Abschreckung lehnen wir Abschiebungen klar ab.
Ja, DIE LINKE NRW setzt sich öffentlich vernehmbar und aktiv auf der Straße gegen den Missbrauch von Geflüchteten als Sündenböcke für gesellschaftliche Probleme ein, der häufig in Forderungen nach einer weiteren Schleifung des Asylrechts kulminiert. Die Kriminalisierung von Geflüchteten und populistische Hetze sorgen für eine Stärkung rassistischer und rechtsnationaler Kräfte und führen immer wieder zu Gewalt gegen Geflüchtete und Menschen, die nicht in das rechtsnationale Weltbild passen.
6) Haft sollte laut Gesetz stets nur als ultima ratio angewandt werden. Gleichzeitig schafft Deutschland immer mehr Plätze für Abschiebehaft und ähnliche Haftarten. Was tut Ihre Partei, um diesem Trend entgegenzuwirken?
Wir verweisen auf unsere Antworten auf die Fragen 1 und 5.
Bei einer Aufenthaltsbeendigung müssen Abschiebungen immer das letzte Mittel sein. Wir setzen uns dafür ein, mildere Mittel zur Abschiebehaft als Alternative auszuschöpfen, und wollen garantieren, dass die Rechte der Betroffenen geachtet werden. Dies gilt beispielsweise für eine unabhängige Beschwerdestelle und der für den Zugang zu Rechtsberatung. Perspektivisch setzen wir uns für die Abschaffung der Abschiebehaft ein. Denn die Inhaftierung von Menschen, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen, stellt eine massive Einschränkung ihrer Rechte dar. Abschiebungen in Kriegs- und Krisenländer wie Afghanistan und Syrien lehnen wir grundsätzlich ab. Wir setzen uns dafür ein, dass Abschiebehindernisse gewahrt bleiben und besonders zu schützende Personengruppen wie Sinti*zze und Rom*nja, LSBTIQ* und wegen Gewalt gefährdete Frauen vor einer Abschiebung in Unrechtsregime und Kriegsregionen bewahrt werden. Zudem setzen wir uns dafür ein, Bleibeperspektiven für Personen mit unsicherem Status weiter auszubauen.
Der internationale Gerichtshof muss initiativ Anklage erheben gegen die EU wegen struktureller und wissentlicher andauernder Verletzung von Menschenrechten und 1000-fachen Mordes, Nötigung, Körperverletzung und seelischer Verletzungen, vor allem an Kindern. Hierfür sollen Reparationen und Entschädigungen festgesetzt werden. Diese Praxis muss die EU teuer zu stehen kommen.
Was wir fordern ist eine proaktive Integrationspolitik. Die Integration von Geflüchteten und Menschen mit Migrationshintergrund ist eine der zurzeit größten Aufgaben für Gesellschaft und Politik. Sie ist aber auch eine Chance, dem demografischen Wandel entgegen zu wirken und durch eine wachsende Bevölkerung die Rahmenbedingungen für die Konsolidierung der öffentlichen
Haushalte zu setzen. Integration ist zudem eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die nur gelingen kann, wenn die Politik die Fehler der Vergangenheit vermeidet und es gelingt, die positiven Faktoren der Zuwanderung in den Vordergrund zu stellen. Wir sehen Integration als eine Querschnittaufgabe, die alle Bereiche von Politik und Leben berühren wird. Um diesen Aufgaben gerecht zu werden, setzen wir uns für die Einrichtung eines vollwertigen Integrationsministeriums ein, das alle nötigen Maßnahmen plant, koordiniert und umsetzt.
Die Regeln des Rechtsstaats sind bei Flüchtlingen genauso verbindlich anzuwenden wie in jedem anderen Rechtsgebiet. Wer nach unseren Gesetzen ein Recht auf unseren Schutz hat, bekommt ihn. Wer nicht schutzberechtigt ist, sollte unser Land wieder verlassen. Dabei setzen wir in erster Linie auf die Förderung freiwilliger Ausreisen. Wenn diese Chance nicht genutzt wird, muss das Recht angewendet und Ausreisepflichtige abgeschoben werden. Wir setzen uns für das Beschleunigungsgebot in der Strafverfolgung ein. Die Abschiebungshaft wird zur Sicherung der Abschiebung richterlich angeordnet. Diese kommt insbesondere auch dann zum Tragen, wenn Fluchtgefahr besteht. Erforderliche Voraussetzungen zur Durchführung der Abschiebung müssen spätestens während der Haft geschaffen werden. Eine Verhältnismäßigkeit der Freiheitsentziehung muss dabei stets gegeben sein.
7) Seit dem ersten Abschiebungshaftvollzugsgesetz in NRW hat es laut Hilfe für Menschen in Abschiebehaft e.V. eine stete Verschlechterung der Haftbedingungen gegeben. Welche Änderungen streben Sie an? Wie wollen Sie die Zusammenarbeit mit unabhängigen Beratungsstellen in der Abschiebehaft gestalten?
Wir haben bereits zu Beginn der Wahlperiode eine Novelle des Gesetzes zur Abschiebungshaft beschlossen. Nach dem aktuellen Stand des Gesetzes über den Vollzug der Abschiebungshaft in Nordrhein-Westfalen stehen den Untergebrachten eine Vielzahl von Freiheiten zu, die die Abschiebungshaft erheblich von der Strafhaft unterscheiden. Wir setzen uns bei gefährlichen Personen für die weitreichende Einschränkung der Bewegungs- und Besuchsmöglichkeiten sowie die Nutzung eigener Mobiltelefone und der Nutzung des Internets ein.
Wir setzen uns für ein generelles Ende von Abschiebungen und der Abschiebehaft ein und werden versuchen weitere Abgeordnete dafür zu mobilisieren. Wir vernetzen uns gerne mit den unabhängigen Beratungsstellen und fördern die Zusammenarbeit, um dem Thema mehr Aufmerksamkeit zu geben.
Bildungssystem, Forschung und Wissenschaft, Administration, Parlamentarismus, Öffentlicher Raum, Kunst & Kultur, Sport, Gesundheit, Polizei, Justiz, Märkte, Sprache, Denkmuster – überall bedarf es der Forschung zu kolonialer Kontinuität bzw. rassistischer Kontinuität und deren Anerkennung und zu antirassistischer Bewegung und Schwarzen Wissensproduktionen; es bedarf der Dekonstruktion und Neugestaltung aller Bereiche so, dass die rassistische und koloniale Kontinuität sichtbar gemacht wird und ihre Wirksamkeit ausgehebelt wird, bzw. ihr entgegen gewirkt wird. In der unmittelbaren Gegenwart muss die Gewaltenteilung als Grundsatz der Demokratie hinterfragt werden. Die Gewalt scheint nicht ausreichend geteilt, die Kontrollfunktionen sind nicht gut durchdacht und das ganze System steht auf einem kolonialen Fundament, was es per definition antidemokratisch macht. Das parlamentarische System muss so umstrukturiert werden, dass es eine Partizipation der globalen Community, die wir bereits sind, ermöglicht, so dass ALLE Perspektiven abgebildet werden, die von der Politik betroffen werden, die in D gemacht wird (nicht nur die von Menschen in Deutschland). Es braucht eine paritätische Abbildung von intersektionalen Perspektiven, unabhängig von deren zahlenmäßiger Anwesenheit und korrespondierend mit dem jeweiligen Referenzrahmen: Gerade für global relevante Diskurse und darauf folgende parlamentarische Entscheidungen muss die Perspektivenvielfalt, die intersektionale Interessenvertretung und die intersektionale interdisziplinäre Expertise gewährleistet werden. Alle derzeit existentiell relevanten Diskurse sind gleichzeitig global relevante: Globale Ökonomische Gerechtigkeit, Gewährleistung von Menschenrechten überall, Klimagerechtigkeit, menschenrechtlich-ethische Gestaltung von technologischem Fortschritt (AI/Bioengineering/Digitalisierung), Entmilitarisierung/Abrüstung/Frieden. Alle Parlamente müssen ab den jeweils nächsten anstehenden Wahlen eine paritätische intersektionale Repräsentation gewährleisten. 50%ige Quoten für FLINTA*, BIPOC, LGBTQIA+, be_hinderte Menschen, für Altersdiskriminierte (unter 25/über 70) etc. ist absolut unumgänglich. Ein Parlament, das diese Quoten nicht abbildet, ist nicht beschlussfähig. Es soll und muss ja eben die Bevölkerung vertreten. Und wenn es dies nicht tut, dann kann auch kein Beschluß in dessen Vertretung passieren.
Für uns gilt es, Abschiebehaft grundsätzlich zu vermeiden und mildere Mittel auszuschöpfen.
Soweit Abschiebehaft besteht, muss sie so human und grundrechtsschonend wie möglich erfol-
gen und sich deutlich von Strafhaft unterscheiden. Abschiebehaft darf kein völlig isolierter Rechtsraum bleiben, in der die Betroffenen keinerlei Zugang zu Ehrenamtlichen oder kostenlosen unabhängigen Beratungsleistungen haben. Wir brauchen klare Kriterien, die eingehalten werden müssen, was Belange der Bewegungsfreiheit, Teilnahme an Freizeitangeboten, Handynutzung und Besuchszeiten angeht.
DIE LINKE NRW fordert, dass das Abschiebegefängnis in Büren, in dem Geflüchtete unter menschlich unzumutbaren Bedingungen leben, zu schließen. Das Land NRW sollte stattdessen vom Tag der Ankunft an Geflüchtete in die Gesellschaft aufnehmen – dazu gehören Ansprüche auf volle Gesundheitsversorgung und Sozialleistungen ebenso wie Sprachkurse, Bildung und uneingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt. Die Beratung und Betreuung von Geflüchteten ist von der öffentlichen Hand zu finanzieren. aus öffentlicher Hand betreiben und finanzieren. Die Strukturen der Geflüchtetenarbeit müssen ausgebaut und verstetigt werden.
8) In NRW wird eine einmalige kostenlose Rechtsberatung in der Abschiebehaft angeboten. Diese führt nicht zu einer Vertretung vor Gericht. Verfahrenskostenhilfe wird erst im Verfahren bewilligt. Wie wollen Sie sicherstellen, dass eine qualifizierte Vertretung durch Rechtsanwälte stattfindet?
Die Kosten für Rechtsberatung Geflüchteter müssen generell von der öffentlichen Hand übernommen werden.
Menschen in Abschiebehaft müssen Zugang zu Rechtsberatung erhalten. In den letzten Jahren wurden Asylverfahren beschleunigt, Rechtsbehelfsfristen weiter verkürzt und Mitwirkungspflichten und Sanktionsmöglichkeiten erweitert. Das macht es Asylsuchenden schwer, Verfahren allein zu durchlaufen und ihre Rechte und Pflichten im Verfahren zu erkennen und durchzusetzen. Daher ist eine frühzeitige und umfassende Beratung unverzichtbar. Wir Grüne wollen ein faires Asylverfahren inklusive flächendeckender unabhängiger und kostenfreier Asylverfahrensberatung. Darüber hinaus sollte das Land in Anlehnung an das Förderprogramm Soziale Beratung für Geflüchtete ein Programm auflegen, das den Rechtsbeistand für Leute in Abschiebehaft sicherstellt.
NRW konzentriert sich darauf AKTIV Hilfe zu leisten. Es bestehen verschiedene Bündnisse und Koalitionen mit NGO' s und Organisationen. Wir bauen gerade ein eigenständiges Netzwerk an Anwälten und Vertreter*innen verschiedener Menschrechtler*innen auf. Daher ist es eben umso wichtig eine anti-rassistische Strategie zu nutzen und mit dem Herzen wählen, denn in dieser Kleinst-Partei sind alles Menschen , die betroffen und privilegiert genug sind um sich aktiv eine Hilfe auf politischer Ebene selbst zu sein. Wir brauchen hierfür Reccourcen, eine davon ist dein Kreuz, denn wir sind Du. Wir bauen, wenn wir eigene mittel haben Anti Diskriminierungsbüros, Hilfe Centrums und Rechtsbeistand auf.
Wir setzen uns dafür ein, dass jeder Mensch, unabhängig vom Einkommen, die Möglichkeit haben muss, seine Rechte vor einem Gericht geltend zu machen. Daher lehnen wir Einschränkungen im Bereich der Prozesskostenhilfe und des Beratungshilferechts ab, wenn hierdurch die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Unterstützung angehoben werden.
Zahlreiche Flüchtlingsberatungsstellen unterstützen bei der kostenlosen Beratung und der Erstellung des Rechtsberatungsscheins. Nach Vorlage bei einer Rechtsanwältin oder einem Rechtsanwalt kann dieser dann die Beratungsleistungen über das Amtsgericht abrechnen. Darüber hinaus stellen wir über die Prozesskostenhilfe Möglichkeiten der Kostenübernahme zur Verfügung.