Ein Jahr schwarz-grüne Landesregierung – weiter keine Klarheit über Bau eines Abschiebegefängnisses in Düsseldorf

DALL-E: Deportation jail sourrounded by high fences with an airport nearby. Digital art drawing in a dark and depressive mood in black and green color, with a haze of uncertainty

Seit einem Jahr regiert eine Landesregierung aus CDU und Grünen. Doch auch zwölf Monate später gibt es noch immer keine Transparenz über den Planungsstand für den Bau eines weiteren Abschiebegefängnisses am Standort Düsseldorf. Die Planungen dafür stammen noch aus der Regierungszeit der schwarz-gelben Landesregierung. Bisher werden in Nordrhein-Westfalen alle männlichen Personen, für die gerichtlich eine Form der Abschiebehaft beantragt wird, in der Regel im Abschiebegefängnis Büren inhaftiert, Frauen kommen in das Abschiebegefängnis in Ingelheim in Rheinland-Pfalz. Das Bündnis Abschiebegefängnis verhindern – in Düsseldorf und überall fordert die Landesregierung weiterhin dringlich auf, die Pläne für den Bau eines zweiten Abschiebegefängnisses in Nordrhein-Westfalen sofort aufzugeben. Wir geben einen Überblick, was wir wissen und was nicht und welche Aktivitäten in den letzten Monaten anstanden.

Weiterhin keine Fakten auf dem Tisch – Bündnis klagt auf Offenlegung der Fakten

Auch zwölf Monate nach Start der schwarz-grünen Landesregierung legt das von einer grünen Ministerin geführte Ministerium für Flucht und Integration weder den Planungsstand für das Abschiebegefängnis in Düsseldorf offen noch äußern sich die Fraktionen von CDU und Bündnis 90/ Die Grünen dazu. Da das Düsseldorfer Flucht-Ministerium selbst auf eine nach dem Informationsfreiheitsgesetz und mit Hilfe der Informationsfreiheitsplattform Frag den Staat eingereichte Anfrage keine Dokumente zur Verfügung gestellt hat, hat der Düsseldorfer Rechtsanwalt für Migrationsrecht Marcel Keienborg vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. für das Bündnis im Oktober 2022 bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf eine Klage gegen das Ministerium eingereicht.

Bisher wenig Neuigkeiten durch Klageverfahren

Seit Monaten gehen nun Schriftsätze hin und her. Nur wenige Informationen wurden seither Preis gegeben. Dazu zählen vom Ministerium im Rahmen des Klageverfahrens offen gelegte Antworten auf Presseanfragen zu dem Thema aus den Jahren 2021 und 2022, die allerdings keine neuen Fakten offenbaren. Einzig das Wording des Ministeriums hat sich anscheinend geändert. Während das Ministerium unter Leitung von Joachim Stamp (FDP) noch viel konkretere Ausführungen machte, spricht die Pressestelle des Ministeriums seit Amtsübernahme der grünen Josefine Paul nur noch davon, dass geprüft werde, ob neben Büren ein weiterer Standort in Frage käme. Sonst macht das Haus keinerlei Ausführungen gegenüber der anfragenden Presse.

Außerdem hat das Ministerium im Rahmen des Gerichtsverfahrens ein Ausschussprotokoll aus dem Integrationsausschuss des Landtages von September 2021 übermittelt, das allerdings bereits öffentlich bekannt ist.

Dass das Verwaltungsgericht Düsseldorf die bisherigen Ausführungen des Ministeriums für Flucht und Integration, warum eine Aushändigung der Informationen rund um die Planungen für ein Abschiebegefängnis am Standort Düsseldorf nicht möglich sein soll, für möglicherweise rechtlich unzureichend hält, wurde im Januar 2023 offenbar. Das Gericht forderte damals das Ministerium in zwei Seiten und sechs Punkten auf, die eigene Argumentation nachzubessern. Diesem ist das Ministerium nach mehreren Fristverlängerungen am 27. März 2023 nunmehr gefolgt.

Das Ministerium verweigert weiterhin fast jede inhaltliche Ausführung zu dem geplanten Bau. Dennoch geht aus dem jüngsten Schriftsatz immerhin eine gravierende Neuigkeit hervor: es hat in der Vergangenheit bereits eine fertige Kabinettvorlage gegeben, auf deren Grundlage die Landesregierung eine Entscheidung über das Vorhaben hätte treffen können. Allerdings sei die Kabinettvorlage wieder von der Tagesordnung genommen worden, heißt es in dem Schreiben an das Gericht. Wann eine solche Kabinettvorlage bereits auf der Tagesordnung des Landeskabinetts gestanden hat, geht aus dem Schriftsatz des Ministeriums an das Verwaltungsgericht Düsseldorf allerdings nicht hervor. Somit ist insbesondere nicht bekannt, ob es sich um einen Zeitpunkt in der Amtszeit der schwarz-gelben oder der schwarz-grünen Landesregierung gehandelt hat.

Vorhaben Abschiebegefängnis Düsseldorf ist nicht vom Tisch – weiter Millionenbeträge im Landeshaushalt 2023 eingestellt

Was jedenfalls deutlich wird, ist, dass das Vorhaben eines weiteren Abschiebegefängnisses für Nordrhein-Westfalen seit dem Regierungswechsel noch nicht vom Tisch geräumt worden ist. Zwar enthält der Koalitionsvertrag, den CDU und Grüne in NRW als „Zukunftsvertrag“ bezeichnet haben, keinerlei Ausführungen zum Vorhaben. Recherchen des Bündnisses Abschiebegefängnis verhindern – in Düsseldorf und überall haben allerdings schon vor mehreren Monaten ergeben, dass im Landeshalt für Nordrhein-Westfalen auch für das Jahr 2023 Millionenbeträge für das Vorhaben eines Abschiebegefängnisses Düsseldorf eingestellt sind, die lediglich durch einen Sperrvermerk bedingt aktuell noch nicht ausgegeben werden.

Bund-Länder-Beschlüsse fordern mehr Abschiebehaft und „Ausreisegewahrsam“

Im Gegenteil machen die aktuellen politischen Verschärfungsdebatten um Asyl und Migration in Politik und Medien auch vor der Abschiebehaft nicht Halt und könnten die Diskussionen um ein weiteres Abschiebegefängnis in Nordrhein-Westfalen schneller wieder oben auf die Agenda spülen als vielleicht von manchen gedacht. So haben die Ministerpräsident:innen der Bundesländer bei ihrem Treffen mit Bundeskanzler Scholz am 10. Mai 2023 auf drei Seiten gesetzliche Verschärfungen bei Abschiebungen und Abschiebehaft politisch vereinbart (Kapitel 6 des Beschlusspapiers). Diese Vorhaben dürften in den nächsten Wochen Eingang in das parlamentarische Verfahren in Bundestag und Bundesrat finden. Politisch vereinbart wurde etwa, dass die Haftgründe bei der Abschiebehaft erweitert werden sollen und dass die Höchstdauer des sogenannten „Ausreisegewahrsames“ von derzeit zehn auf 28 Tage ausgeweitet werden soll. Außerdem heißt es in dem Papier, dass die Bundesländer „weiterhin Abschiebungshaftplätze in ausreichender Zahl einrichten und vorhalten“.

Um es noch einmal deutlich zu machen: Abschiebehaft ist eine Freiheitsentziehung ausschließlich zum Zweck der späteren Abschiebung. Sie hat mit strafrechtlichen Aspekten nichts zu tun. Das verfassungsrechtlich geschützte Recht auf Freiheit wird in hunderten Fällen jährlich nur zu diesem Zweck eingeschränkt. Das Bündnis Abschiebegefängnis verhindern – in Düsseldorf und überall betrachtet Abschiebungen als rassistische Praxis des europäischen Migrationsregimes und alle Formen der Abschiebehaft als Menschenrechtsverletzung.

Sollte nun das sogenannte „Ausreisegewahrsam“ gesetzlich verschärft werden, könnte die Debatte auch in Nordrhein-Westfalen neu beginnen. Genau für die Durchsetzung des „Ausreisegewahrsams“ wird nämlich der Bau eines weiteren Abschiebegefängnisses in Nordrhein-Westfalen in Erwägung gezogen. Umso wichtiger ist es, dass die Landesregierung öffentlich Klarheit schafft und das Vorhaben endlich aufgibt.

Denn schon bisher ist das Ausmaß verhängter Abschiebehaft in Nordrhein-Westfalen erschreckend. Allein in den ersten drei Monaten des Jahres 2023 wurden 315 Menschen im Abschiebegefängnis Büren inhaftiert (sh. Landtag NRW Vorlage 18/1332 A 19). All diesen Menschen wird die Freiheit nur deswegen entzogen, weil sie außer Landes verfrachtet werden sollen, nicht aus strafrechtlichen Gründen. Denn Abschiebehaft ist eine Haft ohne Straftat.

Save the date: Präsenztreffen des Bündnisses Abschiebegefängnis verhindern – in Düsseldorf und überall im September 2023 geplant

Das Bündnis Abschiebegefängnis verhindern – in Düsseldorf und überall war in den letzten Monaten sehr aktiv und wird es auch bleiben. Wir laden nach der Sommerpause Interessierte aus allen Regionen Nordrhein-Westfalens und darüber hinaus zu einem Präsenztreffen nach Düsseldorf ein, um über den Planungsstand für ein Abschiebegefängnis in Düsseldorf zu berichten und mit Planungen für Aktivitäten für die folgenden Monate zu beginnen. Gesucht für die aktive Mitarbeit werden zum Beispiel Menschen, die sich bei der Planung für Aktionen beteiligen wollen, die Interesse an Social Media Arbeit haben und gemeinsam das Abschiebegefängnis verhindern wollen.

Präsenztreffen: Sa., 09. September 2023, 13 bis 17 Uhr, Düsseldorf (Ort wird noch angekündigt)

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